Hinter den Kulissen mit Bettina Pohl

Hinter den Kulissen mit Bettina Pohl: Wir freuen uns Ihnen in dieser Ausgabe ausnahmsweise kein Orchestermitglied, sondern eine Kollegin „hinter den Kulissen“ vorstellen zu können: Bettina Pohl ist Redakteurin für „Discover Music!“ und damit verantwortlich für den wichtigen Bereich der Musikvermittlung der NDR Radiophilharmonie an Kinder und Jugendliche. 

Musik hat in meinem Leben immer ein große Rolle gespielt. Obgleich ich nicht sagen kann, dass ich aus einem musikalischen Haushalt komme. Zwar hatte meine Mutter mal Klavier gespielt – allerdings ohne große Leidenschaft. Und die musikalische Begeisterung, die mein Vater tatsächlich hatte, wurde in seinem Elternhaus nicht gefördert. Doch für mich sollte der Weg geebnet werden. Mit 4 Jahren wurde ich in die Musikschule meiner Heimatstadt Pinneberg (Schleswig-Holstein) gesteckt, lernte Noten, spielte Xylophon und Blockflöte, und begann bei jeder Gelegenheit zu singen. Volkslieder, Operettenmelodien, alte Schlager. Mein Vater sang jeden Tag, ob im Auto oder beim Spazierengehen, und ich tat es ebenso. Meine gesamte Schulzeit verbrachte ich im Schulchor, und wünschte mir nichts sehnlicher als ein Klavier. Aber in den 70er Jahren mangelte es an unserem Wohnort an Musiklehrer:innen, und so musste ich lange warten, bis ich endlich ein Klavier bekam. Unser Schulchor am Gymnasium Bad Nenndorf war ambitioniert. Eines Tages (1978?) führten wir das Weihnachtsoratorium in der Bad Nenndorfer Kirche auf – für mich die vermutlich erste Begegnung mit Musikerinnen und Musiker aus der NDR Radiophilharmonie, von denen meines Wissens nach einige dabei waren.


Bettina Pohl

„…schon damals lag mir die „Vermittlung“ immer am Herzen...“

Redakteurin Discover Music!: Bettina Pohl


Sängerin werden! Das war lange mein Traum…

…oder doch lieber Schauspielerin? Der Weg führte hinter die Kulissen, und das war und ist auch ganz gut so. Das Studium der Theaterwissenschaften und Werbepsychologie in München führte mich dahin, wo ich meine berufliche Laufbahn auch gerne sehen wollte: ans Theater. Erste Erfahrungen am Oldenburgischen Staatstheater 86/87, später Schleswig-Holsteinisches Landestheater und kurz nach der Wende ans Mecklenburgische Landestheater nach Parchim. Die Erfahrungen waren vielfältig, aber aus verschiedensten Gründen auch sehr kräftezehrend. Über eine beim NDR ausgeschriebene Aushilfsstelle landete ich kurz darauf per Zufall direkt beim Orchester. Nach wenigen Wochen wusste ich: das ist es, hier möchte ich gerne bleiben!

Das war im November 1992 und ist jetzt also 32 Jahre her. Für mich nicht zu glauben, denn so wie damals gehe ich noch heute mit derselben Begeisterung und denselben staunenden Ohren ins Konzert und freue mich jedesmal über die unfassbar exzellente Leistung dieses Orchesters! Um wesentliche Erfahrungen im Umgang mit Dirigent:innen und Musiker:innen sammeln zu können, übernahm ich die damals vakante Leitung des Notenarchivs. Als sich ein paar Jahre später (1998) das redaktionelle Gefüge hinter dem Orchester massiv veränderte (aus einer Hörfunk-Redaktion, die in erster Linie für das Radio arbeitete, wurde ein Orchester- Management-Betrieb), bewarb ich mich als Redakteurin und erhielt die Stelle, die ich bis heute ausfülle. Allerdings veränderte sich mein Berufsbild im Laufe der Jahre enorm. Zunächst galt es, den Bereich Marketing, Pressearbeit, Organisation von Orchesterreisen ins Ausland und die Betreuung von rund 60 Konzerten auf der EXPO in Hannover zu entwickeln.

Schon damals lag mir die „Vermittlung“ immer am Herzen.

So kam es zunächst zur Gründung der Konzertreihe „Klassik Extra“. Als Matthias Ilkenhans 2004 das Management der NDR Radiophilharmonie übernahm, zeigte er sofort Bereitschaft, die inzwischen in Deutschland eingeführte Musikvermittlung für junges Publikum bei uns zu etablieren. Und das war für mich der Moment, die Hand zu heben und zu sagen: das würde ich gerne machen!

Von da an ging es ziemlich rasant. Innerhalb eines Jahres gründeten wir das Zwergen-Abo für die Jüngsten (ab 3 Jahren), die Familienkonzerte für das Grundschulalter und die Spurensuche für Schulklassen der weiterführenden Schulen. Das „NDR Kindermusikfest“ etablierte sich zusätzlich ab Mai 2005. Bis 2018 fand es alle 2 Jahre statt. Die Pandemie führte zu einer längeren Pause, aber in nicht allzu ferner Zeit soll es weitergehen mit einem Projekt dieser Art.


Discover Music!

Zwergen-Abo: das Konzertformat für Kinder ab 3 Jahren

Frau Müse und Streicher der NDR Radiophilharmonie beim Zwergen-Abo

(Foto: Micha Neugebauer)


In der Saison 25/26 feiern wir mit dem Zwergen Abo das 20-jährige Jubiläum! Nicht eine Saison vergeht, ohne dass Familien bangen und hoffen, eines der begehrten Zwergen-Abos zu ergattern. Ich „fand“ die Konzertvermittlerin Susanne Grünig 2004 an der Musikhochschule Detmold, wo sie als erste Absolventin im neuen Studiengang „Musikvermittlung“ ihre Abschluss-Präsentation zeigte. Das Konzept begeisterte mich und in sehr ähnlicher Form setzten wir es um: die Kinder sind die Abonnentinnen oder Abonnenten, also die Hauptpersonen. Ihre Eltern „dürfen“ sie als Begleitpersonen mitbringen. Viermal pro Saison kommen sie ins Konzert und lernen zu Füßen der Musikerinnen und Musiker aus nächster Nähe jedesmal andere Musik und andere Instrumente kennen.

Für größere Kinder haben wir die „Orchester-Detektive“, drei Konzerte pro Saison. Auch hier ein Glücksgriff: Malte Arkona. Jede neue Ausgabe der „Orchester-Detektive“ ist eine Premiere – und immer wieder tun wir alles für ein großartiges Konzerterlebnis bei den Kindern. Meistens gelingt es. Die Kinder zeigen jedenfalls ganz direkt, ob es ihnen gefällt oder nicht. Das ist besonders am Vormittag so, wenn der ganze Konzertsaal voller Schulklassen ist. Als wir im ersten unserer Konzerte für Schulklassen saßen, kurz vor Beginn, alle Reihen voll besetzt, der Lautstärkepegel monströs, sah Matthias Ilkenhans mich leicht entsetzt von der Seite an und murmelte: „Wer hat das eigentlich erlaubt??“ (lacht) Wichtig ist, dass die Kinder nicht nur stillsitzen und „konsumieren“. Immer werden sie einbezogen, können sich äußern, mitmachen und amüsieren.

Vor gut zwei Jahren haben wir ein Experiment gestartet: Während des Live-Konzerts der „Orchester-Detektive“, das wir um 11 Uhr für Schulklassen im gesamten NDR Sendegebiet per Video streamen, werden einzelne Klassen von außerhalb in den Großen Sendesaal geschaltet, um etwas zum Konzertgeschehen beizutragen. (Klicken Sie hier, um das letzte Orchester Detektive Konzert zu gucken.) Ein Novum, das es seitdem bei diesem Format immer, aber meines Wissens nach ausschließlich bei der NDR Radiophilharmonie gibt.


Discover Music!

Orchester-Detektive: das Konzertformat für Kinder von 7 bis 11 Jahren

Discover Music! Konzert „Orchester-Detektive“ mit Malte Arkona und Mitgliedern der NDR Radiophilharmonie

(Foto: Micha Neugebauer)


Ich könnte so viel erzählen über unsere Musikvermittlungsprojekte, zu denen ja auch noch so viel mehr gehört. Z.B die Spurensuche: einer umfänglichen Vorbereitung im Kleinen Sendesaal folgt das Konzerterlebnis im Großen Saal im Rahmen der Generalprobe. Zeitlich aus der Not eine Tugend gemacht, ist das Andocken an die GP für die jungen Leute überhaupt kein Nachteil: das Orchester noch in Alltagskleidung zu sehen, sorgt für Nähe. Und dann zu erleben, „was die können!!“ (O-Ton eines Schülers) Unterrichtsmaterial gibt’s vorweg noch obendrein. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen Hilfestellung erhalten, wenn sie die jungen Leute aufs Konzert vorbereiten.

Ein paar letzte Worte noch…

…zu unserem aktuellen Großprojekt: Das „Nie wieder!“- Vermittlungsprojekt befasst sich mit der „Leningrader“ Sinfonie von Dmitrij Schostakowitsch, die im Mai 2025 aufgeführt wird. Anlass ist der 80. Jahrestag Ende II. Weltkrieg. Die Leningrader ist mehr als hörenswert. Aber sie ist ungefähr 80 Minuten lang. Ohne Pause. Und mir stellt sich die Frage: wie erreichen wir es, dass junge Menschen, die mit klassischer Musik vielleicht nichts am Hut haben, einem Werk wie diesem zuhören? Und sich dabei nicht langweilen?

Wie immer bei der Vermittlung lautet die Antwort: über eine gute Vorbereitung. Am besten in Form von Interaktion, über aktives Mitmachen und kreative Beteiligung. Deshalb schicken wir Workshop-Leiterinnen und -Leiter (von uns ausgesucht) in viele verschiedene Schulen in Niedersachsen. In jedem Workshop findet die Leiterin bzw. der Leiter mit den Jugendlichen eigene Wege des Zugangs. Interdisziplinär und nicht unbedingt hochmusikalisch übrigens, denn das Thema ist schließlich in viele Richtungen hin offen. Tanz, Theaterspiel, Installation, Videoarbeitund viele andere Herangehensweisen kann es geben.
Am Ende der Workshop-Phase im Frühjahr 2025 wünsche ich mir auf jeden Fall ein Zusammenkommen aller Beteiligten im NDR Konzerthaus, in dem sich die einzelnen Gruppen gegenseitig präsentieren, was sie gemacht haben. Und dann hoffe ich, dass die Ergebnisse ähnlich bunt und vielfältig sein werden, wie damals beim War Requiem. Und dass alle etwas mit diesem Werk verbinden werden, was sehr individuell sein mag, aber was ihnen ermöglicht, die Aufführung als ein „Erlebnis“ zu begreifen!

Es wird auf jeden Fall sehr spannend. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich beim Freundeskreis SEHR HERZICH zu bedanken: Die Mittel, die der Freundeskreis für das „Nie wieder!“ Projekt bereitstellt, werden sehr zum Gelingen beitragen!!

Ein großer Dank an den Freundeskreis!